Die Büchse der Pandora


„Putin zuzuhören, war, wie mit einer Zeitmaschine in der Vergangenheit zu landen“, sagte der bosnische Schriftsteller Faruk Šehić während der Lector in fabula’ Paneldiskusson, als er von dem Déjà-vu sprach, das ihn in den Tagen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar überkam. Er stellte fest, dass die gleichen Rechtfertigungsstrategien und falschen Behauptungen, die in den 1990er Jahren den Krieg auf dem Balkan kennzeichneten, auch dreißig Jahre später wieder benutzt werden. Die Rede, die Vladimir Putin Anfang 2022 kurz vor dem Angriff auf die Ukraine gehalten hat, sei daher im Grunde dieselbe, wie die von Radovan Karadžić 1992: Bosnien sei kein echtes Land und dürfe nicht existieren, die bosnischen Muslime bildeten eine fiktive Nation und dergleichen mehr. Wenn Russland den Krieg in der Ukraine gewinnen sollte, werde der offene Konflikt in Bosnien sofort wieder aufflammen, warnte Šehić. „Und dieser Krieg in Bosnien wird sich nicht nur auf mein Land beschränken. Das wäre das Öffnen von Pandoras Büchse.”

Die ukrainische Schriftstellerin und Verlegerin Kateryna Mishchenko würdigte zwar die Solidarität vieler Länder mit ihrem Land, aber sie unterstrich, dass Ukrainer:in sein heute gleichwohl bedeute, ein tiefes Gefühl der Einsamkeit zu verspüren. Denn letztlich seien die Ukrainer:innen in diesem Krieg allein: „Sie bekommen Waffen, sie bekommen Geld, sie bekommen Versprechungen was die europäische Integration betrifft – aber sie sind es, die sterben und ihr Leben opfern müssen.“

Die Aufzeichung der Paneldiskussion vom 23. September 2022 können Sie hier aufrufen: